Jugendbücher rund um tolle Typen

Die Namen François Vidocq und Angelica Bell werden vermutlich nur wenigen etwas sagen, dafür aber die Namen Sherlock Holmes und Virginia Woolf. Was die Namen miteinander zu tun haben und Geschichten rund um weitere bemerkenswerte Menschen, real oder fiktiv, die sich in schweren Zeiten behaupten mussten, lesen Sie in unseren Buchvorstellungen.

Anders als wir

Ende März, 1941: Virginia Woolf ist verschwunden. Voller Sorge sucht ihre Familie nach der berühmten Schriftstellerin und immer mehr macht sich die Gewissheit breit, dass die depressive Virginia ihrem Leben ein Ende gesetzt hat. Unter den Suchenden ist auch die 20-jährige Angelica Bell, Tochter von Virginias Schwester Vanessa Bell, die ihre Tante über alles geliebt hat. Während der Tage, in denen die Familie auf ein Lebenszeichen hofft, erzählt Angelica ihrem wesentlich älteren Bruder Quentin wie sie ihre Kindheit im Charleston Farmhouse erlebt hat. Erstmals wird ihrem Bruder dabei bewusst, dass die Freiheit und Offenheit, die Angelica von klein auf inmitten von Künstlern erfahren hat, gleichzeitig auch eine große Belastung für das Mädchen war. Charleston Farmhouse war einer der Treffpunkte der bekannten Bloomsbury Group, zu der Literaten, Maler, Kritiker und Wissenschaftler diskutierten und sich austauschten. Angelica war zu klein, um daran teilzunehmen, aber alt genug um zu erleben, dass die Lebensweise ihrer Eltern so ganz anders war als die der Nachbarschaft und der Dorfbewohner. Wie gern würde die kleine Angelica, die meistens für sich allein ist, mit Gleichaltrigen spielen, deren Normalität erfahren, sich in deren enge Grenzen einfügen. Diesem Schritt glaubt sie einen Schritt näher zu kommen, als sie endlich die Erlaubnis erhält, zur Schule gehen zu dürfen. Auch dort ist das fantasiebegabte Kind eine Außenseiterin, kämpft hier genau wie zu Hause um Aufmerksamkeit und Anerkennung, um einen Platz zu finden, zu dem sie sich dazugehörig fühlt.

Aufschlussreiches, lesenswertes Gesellschaftsporträt um ein junges Mädchen, die versucht, ihren Platz zwischen einer intellektuellen, freizügigen und liberalen Künstlergruppe einerseits und einer bürgerlich konservativen Gesellschaft andererseits zu finden.
In gleicher Reihe vom selben Autor ist auch das Buch „Brüder für immer“ erschienen, in dem Quentin über seinen Bruder Julien erzählt, der im Spanischen Bürgerkrieg gefallen ist. Unsere Rezension finden Sie hier.

„Anders als wir“ * von Rindert Kromhout ist im Verlag Mixtvision erschienen, für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet und kostet 14,90 Euro. ISBN 978-3-95854-122-1

Der Detektiv von Paris

1775 wird in der nordfranzösischen Stadt Arras Eugène François Vidocq als Sohn eines Bäckers geboren. Arras ist die Stadt der Gauner und Verbrecher und Vidocq ein wissbegieriger Junge. Er lernt Lesen und Schreiben, die Geheimsprache der Ganoven, das Fechten mit dem Degen, weiß zu täuschen, zu lügen, sich zu verstecken, zuverkleiden und zu stehlen. Bereits als Junge entflieht er seinem Elternhaus, nachdem er seinen Vater bestohlen hat und selber Opfer von Dieben wurde. Er schlägt sich durchs Land, verdient sich auf einem Jahrmarkt seinen Lebensunterhalt und kommt immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Doch Vidocq ist geschickt und kann sich immer wieder befreien. Aufgrund dieser Fähigkeiten lässt sich das Polizeiministerium auf einen Deal mit Vidocq ein. In dem Wissen, dass Polizisten sehr viel effizienter arbeiten können, wenn sie sich tarnen und unerkannt im Milieu ermitteln, gründet er zur Zeit Napoleons I. die erste Kriminalpolizei der Welt, die Pariser „Sûreté“, deren Leiter er wird. Der Erfolg der Behörde mit ihren neuen Ermittlungsmethoden ist durchschlagend. Experten sowohl aus den USA als auch aus England reisen an, um von Vidocqs zu lernen und dann das FBI bzw. Scotland Yard zu gründen. Aus dem polizeilich gesuchten Strafgefangenen ist ein gefürchteter Verbrecherjäger geworden. Das bringt Vidocq nicht nur Achtung ein. Es gibt viele, die dem „Vater der Kriminalistik“ nach dem Leben trachten.

Spannend, fesselnd, abenteuerlich: die schillernde Lebensgeschichte eines Mannes, der sowohl Krimineller als auch Kriminalist war und alles andere als ein Held, obwohl er mit berühmten Literaten wie Honoré de Balzac, Victor Hugo und Alexandre Dumas bekannt war und als Vorlage einiger ihrer Figuren diente. Vidocq war vermutlich der erste Detektiv der Welt und war Vorbild der Figuren Sherlock Holmes und Hercule Poirot.

„Der Detektiv von Paris. Das abenteuerliche Leben des François Vidocq“ * von Walter Hansen ist im Verlag Ueberreuter erschienen, für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet und kostet 14,95 Euro. ISBN 978-3-7641-7081-3

Das Mädchen im blauen Mantel

Amsterdam 1943: Die Niederlande sind von den Nazis besetzt und das Leben ist hart, mühsam und gefährlich - auch für Nicht-Juden. Die junge Hanneke arbeitet bei einem Bestattungsunternehmer, aber sie verbringt ihre Tage damit, Schwarzmarktgüter zu beschaffen und zu verkaufen, um ihre Familie damit durchzubringen. Ihr großes Unglück ist, dass ihr Freund Bas an der Front gefallen ist – sie vermisst ihn jeden Tag. Eines Tages bittet eine alte Dame sie um einen ungewöhnlichen und gefährlichen Gefallen: Sie soll ein jüdisches Mädchen suchen, das aus dem Geheimversteck in ihrem Haus verschwunden ist. Deren ganze Familie und der Mann der alten Dame wurden von den Nazis umgebracht. Auf der Suche nach Mirjam gerät Hanneke durch Ollie, den Bruder von Bas, in eine Gruppe von Widerstandskämpfern. Sie ist beeindruckt, was sie leisten, auch wenn sie selber dort nicht mitmachen möchte. Doch eines Tages bleibt ihr keine andere Wahl mehr...

Vermutlich jeder kennt das Tagebuch der Anne Frank. Doch was waren das für Menschen, die Juden helfen und retten wollten, diese unter Lebensgefahr versteckt und versorgt haben? In diesem Roman lernen wir sie kennen und erfahren mehr über das Leben in dieser schrecklichen Zeit. In diesem Fall sind es junge Leute wie Anne Frank es auch war, Studenten und Schüler, die ein Netzwerk aufgebaut haben, um möglichst viele Menschen retten zu können und ohne zu wissen, ob sie das überleben werden.
Eine spannende Geschichte, die in einer grauenhafte Zeit spielt, eine Geschichte, die zu Herzen geht und die berührt. Der Roman wurde schon mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

"Das Mädchen im blauen Mantel" * von Monica Hesse ist bei cbj erschienen, für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet und kostet 16 Euro.

How to be a girl – Stark, frei und ganz du selbst

Das Cover des Buches glänzt in Pink, aber wer darin Schmink- und Modetipps erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt. Denn nicht das Erfüllen gängiger Rollenklischees sollte das Ziel sein, sondern einen eigenen Weg zu finden, der keinesfalls so sein muss, wie es andere von einem erwarten.
Unterteilt ist das Buch in fünf Teile: Weil ich ein Mädchen bin… oder? / Mein Körper gehört mir / Der Kampf um die Emanzipation / Augen auf für kleine und große Ungerechtigkeiten und Stand up, speak up! Darin gibt es historische Überblicke, Exkurse zu verschiedenen Themen, Kurzporträts bedeutender Frauen und was sie Mädchen von heute raten würden, Checklisten (z.B. wie man Sexismus im Alltag erkennt) und Anleitungen (z.B. wie man eine Protestaktion organisiert)

Die 30-jährige Autorin, eine engagierte Feministin, will mit ihrem Ratgeber jungen Mädchen eine praktische Lebenshilfe an die Hand geben, die ihnen wie eine gute Freundin oder ältere Schwester zur Seite steht, um sich im Alltag zu behaupten und ihnen Mut zuspricht, ihre Träume und Wünsche zu verwirklichen und für sie zu kämpfen.

„How to be a girl – Stark, frei und ganz du selbst“ * von Julia Korbik ist im Verlag Gabriel erschienen, für Jugendliche ab 13 Jahren geeignet und kostet 14,99 Euro. ISBN 978-3-522-30509-9

Quellen und Bildrechte:

  • Foto 1: www.pixabay.com
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