Der Erfolg von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) ist paradox: Die Produkte boomen, obwohl jeder Verbraucher wissen müsste, dass eine ausgewogene Ernährung die Einnahme in der Regel überflüssig macht. Eine aktuelle Studie des Marktforschungsinstituts concept m löst diesen Widerspruch jetzt auf. Das Fazit der Untersuchung: Konsumenten sehen NEM eher als Mittel zur seelischen Selbstbehandlung.
Die tiefenpsychologische Studie förderte bei den Konsumenten eine Grundstimmung zutage, die von tiefer Verunsicherung geprägt ist, und dies sowohl auf dem Gebiet der Ernährung ("Was darf ich überhaupt noch essen?") wie auch im Alltag ("Schaffe ich das alles noch?"). "Wenn nicht medizinische Erwägungen eine Einnahme angeraten erscheinen lassen, werden die Mittel meist aus einem diffusen Unbehagen heraus genommen", so Rochus Winkler, Managing Partner von concept m. "Nahrungsergänzungsmittel werden als eine Art seelisches Alltagsdoping betrachtet; eine Art akute oder präventive Buße, um dem Körper wieder etwas Gutes zu tun oder ihn mit weiteren diffusen Kräften auszustatten. Nahrungsergänzung impft mit kleinen Ganzheiten gegen die ganz großen Bedrohungen."
Überraschenderweise werden die Nahrungsergänzungsmittel im Spannungsfeld zwischen "natürlicher" Ernährungsweise und industrieller Lebensmittelproduktion oftmals eher der Naturseite zugeschlagen. Aus der Sicht vieler Verbraucher enthalten sie die "konzentrierte Wirkstoffkraft der Natur".
Die Einstufung der Nahrungsergänzungsmittel als "Krisennahrung" hat sich erst in den vergangenen Jahren herausgebildet. In den 90-er Jahren galten die Mittel eher als "Feintuning" für den Körper, damit dieser dem bunten Lifestyle-Stress gewachsen ist. Eine rein nahrungsergänzende Funktion hatten die Mittel noch früher, als Ersatzprodukte (z. B. Lebertran) genutzt wurden, um dem Körper tatsächlich fehlende Nährstoffe zuzuführen.
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