Wahr oder falsch? 18 Ammenmärchen rund ums Stillen

Stillen sollte eigentlich die einfachste Sache der Welt sein - leider stimmt das nicht immer. Viele junge Mütter haben Schwierigkeiten damit und falsche Informationen verunsichern zusätzlich. Ute Voß, Still- und Laktationsberaterin des Mutter-Kind-Zentrums am Helios Klinikum Krefeld, entlarvt die häufigsten Still-Mythen und gibt hilfreiche Tipps.

Mythos 1: Die Schwangere muss ihre Brustwarzen aufs Stillen vorbereiten

Das ist unnötig, da sich die Brustwarzen von ganz allein auf das Stillen vorbereiten. Sie verändern sich bereits in der Schwangerschaft. Die Vorhöfe werden größer und dunkler pigmentiert und auch die Haut wird widerstandsfähiger. Zudem gibt es um die Vorhöfe herum die sogenannten Montgomery-Drüsen, die ein antibakterielles und antivirales Sekret absondern. So bleibt die Brustwarzenhaut geschmeidig und gesund.

Mythos 2: Stillen tut weh

Das Stillen schmerzt nicht, aber oft ist die falsche Anlegetechnik der Grund für Schmerzen. Das Baby trinkt nämlich nicht an der Brustwarze, sondern an der Brust. Wenn das Baby richtig angelegt ist, liegt die Brustwarzenspitze hinten am weichen Anteil des Gaumens beim Baby. Mit der Zunge streicht der Säugling dann die Milch aus der Brust.

Wenn das Baby nur die Brustwarze im Mund hat, klemmt es mit der Zunge die Brustwarze gegen die Kante vom Gaumen und kann so starke Schmerzen bei der Mutter verursachen. Und das Baby kann so auch nicht die Milch ausstreichen, weil es die Milchgänge zudrückt. Hat die Brustwarze doch gelitten, kann die Mutter eine spezielle Brustwarzensalbe anwenden, die die Schmerzen lindert.

Mythos 3: Das Baby muss immer an beiden Seiten trinken, sonst droht ein Milchstau

Ein Baby sollte immer solange an einer Brustseite trinken, bis es von ganz allein aufhört. Die Brust stellt nach dem Milcheinschuss eine Art „3-Gänge-Menü“ her: Die erste Milch, die aus der Brust herauskommt, ist eine sehr dünnflüssige, durstlöschende Milch, die den Flüssigkeitsbedarf deckt. Mit fließendem Übergang wird die Milch dann dickflüssiger, fettiger, süßer – das Hauptgericht, das satt macht. Und zum Schluss kommt dann das Dessert mit vielen Kalorien für die Gewichtszunahme und das Wachstum. Wenn das Baby nur Durst hat, trinkt es die durststillende Milch ab, hat es richtig Hunger, trinkt es länger. Daher sollte man den Stillvorgang nicht abbrechen und die Seite wechseln. Erst, wenn das Baby von selbst aufgehört hat, kann man die andere Seite gern noch mal anbieten oder bei der nächsten Stillmahlzeit dann die andere Brust anbieten.

Bevorzugt ein Baby prinzipiell nur eine Seite, ist das ebenfalls kein Problem. Einen Milchstau müssen die Mamas deshalb nicht befürchten, da sich der Körper schnell auf einseitiges Stillen einstellen kann und die Milchproduktion anpasst. Auch ein Wechsel zurück auf beidseitiges Stillen klappt normalerweise problemlos.

Mythos 4: Das Baby muss zum Stillen geweckt werden

Mutter fühlt mit dem Finger im Mund ihres SäuglingsBei gesunden reifen Neugeborenen ist es nicht notwendig, die Babys zum Stillen zu wecken. Wie erwachsene Menschen sind auch Babys so getaktet, dass sie trinken, wenn sie durstig sind, essen, wenn sie hungrig sind und schlafen, wenn sie müde sind.

Stehen medizinische Gründe im Vordergrund, kann die Lage natürlich eine andere sein. Dies sollten Sie immer individuell mit IhrerÄrztin/Ihrem Arzt und der Stillberaterin besprechen.

Mythos 5: Kleine Brüste produzieren weniger Milch

Das ist ein vollkommener Irrglaube. Die Größe der Brust ist völlig unabhängig vom Drüsengewebe. Eine große Brust hat anteilig viel mehr Fettgewebe in der Brust, ihr Drüsengewebe unterscheidet sich aber praktisch nicht von einer kleinen Brust. Auch kleine Brüste können ausreichend Milch bilden.

Mythos 6: Bei manchen Frauen reicht die Milch nicht

Es kann durchaus passieren, dass Frauen zu wenig Milch haben. Ursache könnte zum Beispiel sein, dass die junge Mutter ihr Baby falsch oder zu wenig angelegt. Auch Zufüttern kann zu weniger Milch führen, da die Milchproduktion durch die Nachfrage bestimmt wird.

Mythos 7: Abpumpen erhöht die Milchmenge

Ja, das ist möglich. Die Frauen müssen sich aber im Vorfeld gut informieren und ein paar Dinge beachten. An einer Pumpe hat man beispielsweise eine deutlich geringere Hormonausschüttung als beim Stillen.

Es kann sein, dass sich erst einmal nicht so viel Milch beim Abpumpen zeigt, weil das Milchspendehormon Oxytocin deutlich reduziert ist. Das gibt sich mit der Zeit, wenn Sie regelmäßig abpumpen oder die Brust durch Massagetechniken vorbereitet wird.

Mythos 8: Pre-Nahrung ist schlecht für mein Baby

Das ist definitiv ein Mythos. Generell ist Muttermilch der Goldstandard und das, was die Natur als Erstnahrung vorgesehen hat. Diese Substanz kann man nicht künstlich herstellen und kein Produkt kommt an die Qualität von Muttermilch heran. Nichtsdestotrotz ist die Prenahrung eine gute Ersatznahrung und ermöglicht es Frauen, die aus verschiedenen Gründen nicht selbst stillen können oder wollen, ihre Kinder gut zu ernähren. Daher muss sich auch keine Mutter schlecht fühlen, wenn sie ihrem Baby Prenahrung gibt.

Mythos 9: Stillende müssen viel essen und trinken

Viel zu trinken und zu essen, macht nicht viel Milch. Die Frauen sollten daher das essen, worauf sie Appetit haben – natürlich gesund und ausgewogen, wie jeder Mensch. Trinken ist sehr wichtig. Zu jeder Stillmahlzeit sollte die Mama genügend Flüssigkeit zu sich nehmen, um den eigenen Körper gut zu versorgen.

Mythos 10: Flasche oder Stillhütchen führen zu Saugverwirrung

Ja, in den meisten Fällen führen Fläschchen oder Stillhütchen zu Saugverwirrung. An der Brust muss das Kind den Mund ganz weit aufmachen, damit über den Brustwarzenhof gegriffen wird.

An einem Flaschensauger oder einem Schnuller muss das Kind den Mund zumachen, ansonsten fällt der Sauger aus dem Mund. Ohne groß etwas tun zu müssen, fängt dann die Milch an zu fließen, ohne Stimulation. Wenn dann wieder gestillt wird und das Baby keine Saugbewegung mehr macht, kommt auch keine Milch. Das Baby kann nicht nachvollziehen, warum das so ist. Wenn sich das richtige Saugverhalten nach ein paar Wochen an der Brust manifestiert hat, können die Kleinen ganz prima hin und her wechseln zwischen Schnuller und Brust.

Mythos 11: Stillende sollten die Brust nicht waschen oder Parfüm benutzen

Ganz normales Waschen ist völlig in Ordnung, aber Sie sollten nicht mit extra Seife oder Parfümstoffen an die Brust gehen. Das kann Ihr Baby irritieren und ist auch vollkommen unnötig. Die Mama duftet für ein Baby ganz toll, auch Schweißgeruch empfindet das Baby nicht als störend. In den Montgomery-Drüsen sind Duftstoffe enthalten. Das sind die gleichen Duftmoleküle, die auch im Fruchtwasser sind. Daher wird ein Baby von der Brust auch magisch angezogen, weil es wie zu Hause duftet. Es fühlt sich dort einfach wieder rundum wohl, geborgen und sicher und schläft deshalb in den ersten Tagen auch oft an der Brust ein - eines der ersten Vertrauensbeweise eines Babys an seine Mama.

Mythos 12: Kranke Mütter sollten nicht stillen

Das ist falsch. Solange der körperliche Zustand der Mutter es zulässt, darf sie weiter stillen. Die Mutter setzt sich mit den krankmachenden Erregern auseinander und gibt es über die Muttermilch als Immunantwort an ihr Baby weiter. Sollte das Baby selbst daran erkranken, ist es dann besser geschützt.

Mythos 13: Keine Medikamente oder Narkosen in der Stillzeit

Das stimmt so pauschal nicht. Es gibt viele stillfreundliche Medikamente, die Sie bei Bedarf problemlos einnehmen können.

Eine Narkose stellt ebenfalls kein Problem dar. Die Mutter kann stillen, sobald sie nach der Narkose in der Lage ist, ihr Kind sicher zu halten. Dann sind in der Regel auch keine Narkotika mehr im Blut der Mutter enthalten und somit ist es auch für die Muttermilch nicht mehr problematisch.

Mythos 14: Lebensmittel und Sport beeinflussen die Muttermilch

Das ist durchaus möglich. Extremer Sport kann zur Lactatausscheidung im Körper führen und die Milch säuern. Der Geschmack der Muttermilch verändert sich dadurch, es ist aber nicht schädlich.

Für stillende Mütter gibt es keine Ernährungseinschränkungen. Es gibt viele Mythen über Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Säfte, Knoblauch und weitere, weil sie bei den Babys wahlweise Blähungen, Bauchschmerzen oder wunde Popos verursachen. Hat die Mutter diese Lebensmittel bereits in der Schwangerschaft zu sich genommen, ist es für das Kind kein Problem. Bei neuen Lebensmitteln sollten Sie aber beobachten, ob Ihr Kind reagiert.

Mythos 15: Stillen verursacht Hängebrüste

Das ist ein Irrglaube. Alle Veränderungen der Brust in der Stillzeit sind reversibel. Die Veränderungen, die in der Schwangerschaft auftreten können, verschwinden nicht wieder von allein. So können Frauen mit schwachem Bindegewebe Schwangerschaftsstreifen bekommen, auch an den Brüsten. Das hängt aber nicht mit dem Stillen zusammen, sondern mit den Hormonen und den Veränderungen in der Schwangerschaft.

Mythos 16: Stillen verringert das Brustkrebsrisiko

Das ist richtig und ein sehr wertvoller Nebeneffekt des Stillens. Eine Stilldauer von sechs Monaten oder mehrere Stillzeiten addiert verringern das Brustkrebsrisiko um bis zu 24 Prozent. Bestimmte Stoffe in der Muttermilch zerstören Krebszellen. Auch die veränderte Hormonsituation sorgt dafür, dass das Krebsrisiko sinkt. Übrigens nicht nur für Brust- sondern auch für Eierstockkrebs.

Quellen und Bildrechte:

  • Helios Kliniken GmbH
  • Foto 1: Seeseehundhund, Foto 2: Fancycrave1, beide www.pixabay.com