Lichtmangeldepression: Was ist das und was kann man dagegen tun?
Noch bis Mitte Dezember werden die Tage kürzer und damit die Stimmung vieler Menschen stetig düsterer. Kein Wunder: Zu wenig Tageslicht kann sich körperlich und psychisch negativ auswirken und sogar bis zu einer Lichtmangeldepression führen. Experten informieren auf Familien-Welt über die Depression durch Lichtmangel und was man dagegen tun kann.
Lichtmangeldepression – typisch für nordische Länder
Zahlreiche Studien belegen, dass die bekannte „Herbst- oder Winterdepression“ in Wahrheit eine „Lichtmangeldepression“ ist. „Typische Beschwerden aufgrund von Lichtmangel treten vor allem in nordischen Ländern wie Norwegen und Finnland auf, wo es im Winter nur wenige Stunden hell ist. Im sonnigen Südeuropa sind diese hingegen so gut wie unbekannt“, erläutert Priv.-Doz. Dr.med. Demiralay, Chefarzt der Oberberg Tagesklinik Hamburg. In Deutschland, das bei den Tageslichtstunden im Winter etwa im Mittel liegt, sind besonders die Menschen beeinträchtigt, die ihren Arbeitsweg morgens und abends im Dunkeln zurücklegen und die Zeit dazwischen ausschließlich in Innenräumen verbringen. Denn der Hormonhaushalt aller Menschen wird durch die Menge und die Intensität des Sonnenlichts beeinflusst. Bekommt man im Laufe des Tages nur wenig Licht ab, kann das auf das Gemüt schlagen. „Der Mangel an Licht kann sogar krank machen“, weiß der Stressforscher.
Lichtmangel-Symptome
„Erste Alarmzeichen sind oft Schlafstörungen. Nicht selten fühlen sich Betroffene tagsüber wenig erholt und sind ständig müde“, erklärt Demiralay. Weitere Symptome können allgemeine Antriebslosigkeit, der Eindruck, bei allen Aktivitäten gegen einen inneren Widerstand ankämpfen zu müssen und ein Gefühl von Lust- und Freudlosigkeit sein. In manchen Fällen macht sich der Lichtmangel auch durch einen erhöhter Appetit auf kohlehydrathaltige Lebensmittel bemerkbar.
Um gesund zu bleiben, sollten Sie täglich durchschnittlich 15 Minuten Sonnenlicht sehen. Gut ist, dass auch der bedeckte Himmel genügend Licht bietet, um einer Winterdepression vorzubeugen. Allerdings ist der Aufenthalt im Hellen während der dunklen Jahreszeit oftmals gar nicht so leicht umzusetzen. Normales Lampenlicht kann den Mangel nicht ausgleichen.
Lichttherapie – duschen im Licht
Die nebenwirkungsarme Lichttherapie ist ein Verfahren, das sich besonders als physiologische Ergänzung zur Behandlung einer saisonal abhängigen Depression eignet. Außerdem kann sie bei Menschen, die zu Depressionen im Winter neigen, auch vorbeugend eingesetzt werden. Wenn Sie mit der Lichttherapie zum Beispiel bereits im Oktober beginnen, können Sie das Entstehen einer SAD („seasonal affective disorder“) verhindern.
Die Wirksamkeit einer „Lichtdusche“ ist wissenschaftlich nachgewiesen. Sie beeinflusst die innere Uhr des Menschen, die in den dunklen Monaten des Jahres oder auch bei Schichtarbeit aus dem natürlichen Rhythmus geraten kann. „Bei andauernder geringer Lichtintensität wird nicht nur nachts, sondern auch tagsüber das Schlafhormon Melatonin vermehrt ausgeschüttet. Fehlt die Unterdrückung der Ausschüttung durch intensives Licht, ist Melatonin am Tag in zu hoher Konzentration vorhanden. Dann reagiert der Mensch mit Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit. Um Melatonin herzustellen, wird die Aminosäure Tryptophan stärker verbraucht und steht dadurch in geringerem Umfang für die Bildung des Neurotransmitters Serotonin zur Verfügung“, so Professor Müller, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Oberberg Gruppe,„Serotonin, das für psychische Ausgeglichenheit und positive Stimmung sorgen kann, fehlt dem Gehirn dann, was zu Mutlosigkeit und Reizbarkeit führen kann.“
Das helle Licht der Lichtdusche sorgt wiederum dafür, dass die innere Uhr in ihren Takt zurückfindet und sich der Serotoninspiegel wieder erhöht. Intensives Licht ohne UV- und IR-Spektren gelangt dabei über die Netzhaut bis zum sogenannten Nucleus suprachiasmaticus. Dieser Teil des Gehirns ist der Taktgeber für unseren Tagesrhythmus und beeinflusst den Serotonin- und Melatonin-Spiegel.
Lichttherapie strahlt positiv auf die Psyche aus
„Wenn die Lichttherapie regelmäßig intensiv eingesetzt und richtig angewendet wird, kann sie bereits nach drei Tagen eine Wirkung erzielen“, weiß Dr. Demiralay. Das therapeutische Licht hat eine Helligkeit von 2.500 bis 10.000 Lux (Glühbirnen besitzen höchstens etwa 1.400 Lux), was in etwa der Intensität des Sonnenlichts entspricht und sich positiv auf die Psyche auswirken kann.
Je nach Verordnung durch Ärztin oder Arzt wird die Lichtdusche im Abstand von einem halben bis zu einem Meter von den Augen entfernt aufgestellt. „Die empfohlenen Beleuchtungszeiten reichen von 30 Minuten bis maximal zwei Stunden. Die effizienteste Wirkung wird erzielt, wenn die Menschen einmal pro Minute für ein paar Sekunden ins Licht blicken“, erklärt der Arzt. Um die Augen vor dem UV-Licht zu schützen, besitzen die Therapie-Lampen einen UV-Filter.
Ein weiterer wichtiger Faktor im Zusammenhang zwischen psychischem Wohlbefinden und Licht ist Vitamin D. Dieses Vitamin wird in der Haut mit Hilfe von UV-Licht der Sonneneinstrahlung gebildet. Neben Effekten auf den Knochen- und Kalziumstoffwechsel, die Muskulatur und das Immunsystem wirkt sich der Mangel nachteilig auf Stimmung und Antrieb aus. In der dunklen Jahreszeit kann die Vitamin D-Versorgung schwierig werden. Weil die Tageslichtlampen kein UV-Licht enthalten, kann es für Menschen mit Depression in den Wintermonaten deshalb auch sinnvoll sein, nach Rücksprache mit dem Arzt Vitamin D zusätzlich durch Tabletten oder Tropfen zu sich zu nehmen.
Wenn die dunkle Stimmung trotzdem nicht verschwindet
Man schätzt, dass in Europa ein bis zwei Prozent der Erwachsenen von einer SAD betroffen sind. Etwa jede zehnte Depression im Winter kann als saisonale Depression bezeichnet werden, sie ist seltener als andere Depressionsformen. „Beachtet werden muss, dass die Lichttherapie häufig eine Ergänzung der Therapie bei einer (saisonalen) Depression darstellt“, erläutert der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Bei schwereren (saisonalen) Depressionen reichen Licht und Sport oft nicht aus. „Dann ist die professionelle Hilfe eines psychologischen oder ärztlichen Therapeuten gefragt. Die Psycho- und eventuell auch die Pharmakotherapie werden dann durch Lichttherapie und Bewegungstherapie wirksam begleitet und ergänzt“, so Dr. Demiralay weiter.
Mehr zu Prof. Dr. Dr. Matthias J. Müller, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Oberberg Gruppe: www.oberbergkliniken.de
Mehr zu Priv.-Doz. Dr. med. Cüneyt Demiralay, Chefarzt der Oberberg Tagesklinik Hamburg: www.oberbergkliniken.de
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