100 Jahre Animationsfilm

Als die Bilder laufen lernten, taten sie es wie jedes kleine Kind auf zwei Beinen. Neben dem fotorealistischen Film entwickelte sich auch der Animations- oder Trickfilm. Am 17.August 1908 führte der französische Karikaturist und Künstler Emile Cohl seinen Animationsfilm Fantasmorgie zum ersten Mal öffentlich vor.

Dieser etwa 4-minütige Film mit weiß gezeichneten Figuren vor schwarzem Grund gilt heute als erster Trick- oder Animationsfilm. Doch auch die Vorläufer der Filmgeschichte wie die Laterna Magica ( ab 1642 ), das Fantoskop ( 1832 ) oder das Zoetrop ( 1867 ) arbeiteten mit künstlerischen Bildern und machen damit streng genommen den Animationsfilm zum Vorläufer des Realfilms.
Emile Cohl produzierte bis 1921 fast 250 animierte Kurzfilme und bediente sich dabei schon der ganzen Bandbreite von Möglichkeiten: Zeichentrick und Lege-Animation genauso wie Puppentrick- und Objektanimationsfilm. Trotzdem verstarb der Künstler 1938 verarmt und verkannt in Paris.

Ganz anders der Amerikaner, der in den 20er Jahren des 19.Jahrhunderts den Grundstein für ein bis heute erfolgreiches Medienimperium legte und uns fast ein Synomym für Zeichentrickfilme ist: Walt Disney.
Nachdem er 1928 in dem Kurzfilm Steamboat Willie seine Lieblingsfigur Mickey Mouse zum ersten Mal auftreten lässt, brachte er 1937 mit Schneewittchen den ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm heraus, der stolze 2 Millionen US-Dollar für 84 Filmminuten kostete. Der Erfolg gab ihm recht und so erschienen in schneller Folge 1940 Pinocchio, 1941 Dumbo und 1942 Bambi. Walt Disneys künstlerisch anspruchvollster Film Fantasia, aus dem die berühmte Szene mit Mickey Mouse als Zauberlehrling stammt und in dem Walt Disney klassische Musik in Szene setzt, ist zwar bis heute ein Meisterstück des Trickfilms, brachte aber dem ImageUnternehmer Walt Disney keinen Erfolg, da er an den Kinokassen floppte.
Umso erfolgreicher wurde dafür das Dschungelbuch, das 1967 gestartet, mehrere Wiederauflagen erlebte und bis heute technisch als auch finanziel einen Höhepunkt des Zeichentrickfilms darstellt.

Durch die Freiheit von allen physikalischen Grenzen und realen Gegebenheiten brachte der Trickfilm auch immer wieder visionäre Filme hervor, die oft abseits des Massengeschmacks landeten. So lebt etwa der von United Artists produzierte Yellow Submarine von der weltweiten Popularität der Beatles, ist aber über weite Strecken ein psychedelischer Trip, der inhaltlich wenig massentauglich war. Ähnliches läßt sich auch von dem Musikfilm The Wall der Gruppe Pink Floyd sagen.
Für ihre Parabel auf die menschliche Gier in dem mit Puppen animierten Kurzfilm Balance erhalten die Brüder Lauenstein zwar 1990 einen Oscar und viel Aufmerksamkeit, einem Erfolg an den Kinokassen steht aber schon die knappe Länge von 7 Minuten entgegen.

ImageNeue oder zumindest ungewohnte Wege schlug der Animationsfilm in den 80er Jahren ein. In Tron ist nicht nur das Thema der Computer, sondern man sieht auch die ersten 15 Minuten computeranimierten Film. Roger Rabbit treibt die Verschmelzung von Real- und Zeichentrickfilm auf einen neuen Höhepunkt, wenn der Privatdetektiv, gespielt von Bob Hoskins, auf eine Zeichentrickstadt trifft und der Hase Roger umgekehrt in der menschlichen Welt landet. Und in Großbritannien besinnt sich ein Mann namens Nick Park auf die alte Technik der Knetfigur und erfindet Wallace und Gromit.

Während der klassische Zeichentrickfilm 1994 mit dem König der Löwen noch einmal alle Rekorde sprengt, arbeitet man in den Studios der Firma Pixar bereits an der Zukunft des Animationsfilms. Ursprünglich als Unterabteilung von George Lucas Trick-Firma Industrial Lights & Magic gegründet, bringt Pixar 1995 mit Toy Story den ersten komplett im Computer animierten Kinofilm heraus.
Mit Toy Story 2, Monster AG, Findet Nemo und Cars setzt Pixar neue technische Maßstäbe und wird so erfolgreich, dass dem Disney-Konzern nichts anderes übrigbleibt, als 2005 die Firma aufzukaufen.
Disneys weiterer Konkurrent, die Filmschmiede Dreamworks, bringt mit Shrek 2001 einen weiteren Helden des computeranimierten Films hervor.
Im selben Jahr erscheint mit Final Fantasy der erste Versuch, einen Film mit menschlichen Akteuren zu produzieren, die komplett aus dem Rechner stammen. Das 137 Millionen Dollar Unterfangen wird interessanterweise dafür kritisiert, dass die Bilder zu perfekt erscheinen, um menschlich zu wirken.

ImageDie Entwicklung der Computeranimation bringt auch die Genres des Realfilms und des Trickfilms wieder näher zusammen. Nicht nur dass Filme wie Jurassic Parc, Der Herr der Ringe oder Matrix immer höhere Anteile von Tricksequenzen haben, es gibt auch - leider noch wenig beachtete - Mischformen wie etwa die Filme A Scanner Darkly, Renaissance ( beide 2006 ) oder Immortel ( 2004 ) in denen auf ungewohnte Weise Schauspielkunst und Comic-Art miteinander verwoben werden.

Auch wenn die Zeichentrick-Studios Walt Disneys mittlerweile geschlossen wurden, dem Animationsfilm stehen auch in den nächsten 100 Jahren aufregende Zeiten bevor, wenn die Filmmacher sich darauf besinnen, was schon Emile Cohl wußte: Eine gut erzählte Geschichte wird in jeder Form gern gesehen.

Zum 100-jährigen Geburtstag verlosen wir DVDs von "Der Rosarote Panther - Die blaue Elise".

Bilder: pixelio: wrw ( 1), Henry Klingberg ( 2 ), Gerd Altmann ( 3 )