Lettland: Ländlich, langsam, lebenswert

Riga wirkt auf deutsche Besucher vertraut - das liegt an den Backsteinbauten aus der Blütezeit der Hanse und den Jugendstil-Fassaden. Neben diesen architektonischen Reizen seiner Hauptstadt hat Lettland - die mittlere der drei baltischen Republiken - aber durchaus noch mehr zu bieten. Winfried Dulisch erlebte diese typisch lettische Mischung aus optimistischer Aufbruchstimmung und unverbrauchter Gastfreundschaft.

ImageIn keiner anderen Metropole der Welt wird das städtebauliche Erscheinungsbild dermaßen stark wie in Riga von Holz geprägt. Mit sorgfältig restaurierten und teilweise sogar mit neu erbauten Holzhäusern im Zentrum der Ostsee-Metropole dokumentiert eine neue Oberschicht ihren Wohlstand und guten Geschmack. Schon nach wenigen Minuten zu Fuß in Richtung der Außenbezirke wird der Spaziergänger jedoch an Zeiten der sozialistischen Mangelwirtschaft erinnert; das morsch gewordene Baumaterial wird hier liebevoll übermalt mit erdigen Farben und unterscheidet sich damit schon auf den ersten Blick von den eher in Signaltönen lackierten Holzbauten der skandinavischer Nachbarn.

Eine Autostunde weiter östlich von Riga bestimmt weitgehend nur noch die Natur das farbliche Erscheinungsbild: Heidelandschaft, Tannen und Birken, Felder, Wiesen, zwischendurch immer wieder mal Imageein kleiner See. Auf solch einem See-Grundstück errichteten adlige Herrschaften in der Mitte des 18. Jahrhunderts das Landgut Annas. Sein einladend frei in der Landschaft stehendes Herrenhaus erlebt heute eine Wiederauferstehung als Designer-Hotel mit exquisitem Spa-Bereich.

Der Blick auf die bestens sortierte Bar in der Empfangs-Lounge signalisiert: Das Annas Hotel ist hervorragend geeignet für gestresste Erwachsene, die hier einfach mal für ein paar Tage relaxen möchten. Aber der zweite Blick offenbart die eigentliche Stärke des Hauses: Gleich neben der Reception liegt das großzügig dimensionierte Kinder-Spielzimmer - keine lieblos gestaltete Abstellkammer für die Kids, sondern eine familienfreundlich gestaltete Rückzugsmöglichkeit für alle Generationen. Der größte Teil des Raumes dient als Spielecke, Mutter und/oder Vater können ihre Kinder von ihrer gemütlichen Ecke aus in einem ImageSchaukelstuhl beobachten.

Design bedeutet in Annas Hotel also nicht modischer Schnickschnack. In diesem 2010 eröffneten Design-Hotel harmonieren die Erfahrungen der Vergangenheit und die Möglichkeiten der Zukunft wohltuend miteinander - mit dem Ergebnis: Zufriedenheit für alle Sinne. Diese Ruhe am Rande eines weitgehend sich selbst überlassenen Waldes schärft die Sinne für vergessene Reize. Zum Beispiel für die Kreationen des Küchenmeisters Ēriks Dreibants.

Im Gegensatz zu anderen Köchen in angeblichen Design-Hotels speist Ēriks Dreibants seine Gäste nicht mit Gourmet-Kunstwerken ab. Er ist stolz auf die Küchentradition seiner Heimat und kitzelt nur zu gerne die Geschmacksnerven seiner - vor allem ausländischen - Gäste mit diesem Klassiker aus lettischen Landen: kalte Rote Bete Suppe. Mit Quark, Joghurt und anderen Milchprodukten, die den meisten westeuropäischen Kindern und sogar Erwachsenen unbekannt sind, vervollkommnet er seine Fleisch- und Gemüse-Gerichte. Zur weiteren Verfeinerung ihrer Speisen verwenden lettische Köche meist ein wenig Knoblauch und viel, viel Dill. Außerdem stehen auf der Speisekarte von Ēriks Dreibants frisch gepflückte Beeren und Pilze aus der unmittelbaren Nachbarschaft vom Annas Hotel.

ImageFür Familien, die auch im Urlaub lieber selbst kulinarisch aktiv sein möchten, empfiehlt sich das 200 Kilometer weiter östlich von Riga liegende Īdeņa. Dieses wohl einzige Fischerdorf in Lettland, das nicht an der Ostsee liegt, holt seine Schätze aus vielen unterschiedlich großen Binnen-Gewässern. Eines davon ist der Lubāns. An diesem größten See von Lettland haben Fischer, Gemüsebauern und andere Naturschützer die Zeit angehalten - mit dem Ergebnis: 236 verschiedene Vogelarten leben heute in den Feuchtwiesen rund um den Lubāna-See, sechs Beobachtungstürme machen diese Region zu einem Birdwatching-Paradies.