Glamping – Entschleunigung pur und ganz viel Spaß

Ein Leben ohne Smartphone, Tablet und Laptop ist heutzutage schwer vorstellbar. Doch die damit verbundene ständige Erreichbarkeit stresst uns Menschen enorm. Wer sein Leben mal wieder entschleunigen möchte, muss nicht gleich ins Kloster ziehen. Die Lösung heißt „Glamping“…

Glamping beinhaltet die Wörter Glamour und Camping. Kein Camping also im ursprünglichen Sinne, denn hier muss man nicht in kleine Zelte kriechen oder die nächste Toilette mit Wegbeschreibung und Taschenlampe suchen. Nein, beim Glamping darf man in großen abenteuerlichen Safari-Zelten (Lodge Zelten) oder schmucken Holzhütten (Log Cabins), letztere haben sogar eine Warmwasser-Dusche, nächtigen. Hier kann man ein paar Tage lang ohne Strom seinen elektronischen Alltag hinter sich lassen. Das liebevolle Mobiliar von anno dazumal versetzt einen schnell in die Zeit zurück. Kerzen, Petroleumlampen, Holzofen und eine Kühlkiste lassen eine schwache Vorstellung vom Leben in sehr viel früheren Zeiten erahnen.

Um besser zu wissen, was so eine kleine Zeitreise mit einem anstellt bzw. was für Auswirkungen diese Art des Urlaubs auf die ganze Familie haben kann, musste ein Selbstversuch her. Und so folgten wir – eine Familie bestehend aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern – sehr gerne einer Einladung des niederländischen Unternehmens WiesenBett, das seit 2004 das Glamping bei unseren ausländischen Nachbarn anbietet und nun auch u.a. den deutschen Markt im Sturm erobern möchte. In Deutschland haben sich bislang sechs Bauernhöfe entschieden, WiesenBett-Partner zu sein, doch viele werden sicher noch folgen. Ziel unserer Reise war der Hof Keppel der Familie Schauerte im Hochsauerland

Nach einem sehr herzlichen Empfang und einer kleinen Einweisung durch unsere Gastgeberfamilie beziehen wir unsere hübsche Hütte. Und schon ist es da, das „Unsere kleine Farm“-Feeling: Ein smarter Mix aus unterschiedlichen Stühlen an einem fast schon kunstvoll zusammengezimmerten Esstisch, Funzeln und Kerzen überall, gestapelte Holzkisten, die als Wandregale dienen und natürlich der wichtige Holzofen. Ach, wie hübsch, denkt man gleich und bestaunt die einfach, aber perfekt aufeinander abgestimmte Einrichtung. Die Kinder haben indes den Weg in die Hütte noch nicht geschafft. Der Hofhund, die drei kleinen neugierigen Geschwisterkatzen sowie ein eigens für den Aufenthalt gemietetes Kaninchen (ja, das gibt es tatsächlich!) fordern zunächst ihre volle Aufmerksamkeit. Unterdessen begrüßen wir unsere reizenden Nachbarn aus den Niederlanden, die wie wir für die nächsten Tage Erholung suchen. Ein Kaffee wäre jetzt nicht schlecht und so stellen wir uns unserer ersten Herausforderung: Kaffeekochen ohne Strom. Tzzzz, denken vielleicht jetzt einige, ist ja nicht so schwer. Stimmt, doch zum Kaffeekochen benötigt man i.d.R. heißes Wasser und gemahlene Bohnen. Also muss erst einmal die Kaffeemühle in Betrieb gesetzt und der Wasserkessel auf dem Holzofen erhitzt werden. Und nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit halten wir stolz unseren ersten mit viel Aufwand hergestellten und unglaublich köstlichen Kaffee in Emailletassen in den Händen.

Überhaupt: Slow Cooking ist angesagt in den nächsten Tagen. Denn Kochen auf dem Holzofen benötigt Zeit, aber die hat man beim Glamping ja. Wer sich jedoch das Holzofen-Kochen nicht zutraut oder generell keine Lust dazu hat, kann auf dem hauseigenen Kugelgrill seine Würstchen grillen, an der Feuerstelle eine schmackhafte Bauernsuppe bzw. ein deftiges Gulasch unter freiem Himmel köcheln, Stockbrot rösten und Marshmallows schmelzen lassen. Einmal während jedes Aufenthalts findet zudem ein Flammkuchen-/Pizzaabend mit allen Gästen und zumindest bei uns mit der gesamten Gastgeberfamilie statt. In nicht mal fünf Minuten zieht Bauer Frank knusprige, lecker belegte Teigplatten aus dem holzbefeuerten Brotofen. Ein schöner Abend in familiärer Atmosphäre, den sich keiner entgehen lassen sollte.

Die erste Nacht rückt schneller heran, als man denkt, und es wird minütlich dunkler. Nun ist es die Zeit der Kerzen und Petroleumlampen. Romantisch flackert das Licht und die Kinder lauschen entzückt einer Gute-Nacht-Geschichte. Zähneputzen mit lauwarmen Wasser ist zum Glück noch möglich, da mein „Mann des Feuers“ natürlich stets heißes Wasser auf dem Herd hat. Scheinbar wird man hier schneller müde, denn schwuppdiwupp verschwinden die Kinder in ihren heimeligen Alkovenbetten. Sogar die Luken werden geschlossen und wir Eltern? Entspannt zusammengekuschelt auf der Couch wird bei einer gemütlichen Tasse Tee in das flackernde Feuer des Ofens geschaut. Kein Gepiepe, kein Geklingel und kein TV-Geflacker stören unsere wandernden Gedanken. Herrlich…

Hahngekrähe holt uns am nächsten Morgen überraschend sanft aus den Federn. Zum Glück müssen wir nicht aufstehen, um die vielen Kühe des Hofs zu melken, doch spannend ist es schon, das Leben und Treiben auf dem Bauernhof. Unsere Kinder besuchen mehrmals täglich die neugierigen Kühe. Besonders die niedlichen Kälber haben es ihnen natürlich angetan. Wie sie gierig an ihren Fingern saugen, in der irrigen Hoffnung, eine Extra-Portion Milch serviert zu bekommen. Aber auch die Ponys müssen selbstverständlich ihre Streicheleinheiten erhalten. Und war da nicht noch etwas? Richtig? Die vier Hühner im Stall vor unserer Hütte müssten doch endlich mal wieder ein Ei gelegt haben. Mehrmals täglich wird dies akribisch und einvernehmlich überprüft. Schade, dass die fedrigen Damen ein wenig faul sind, oder sollte es daran liegen, dass ständig die Klappe am Legeplatz auf- und zugemacht wird? Wer weiß…

Und was macht mittlerweile der Elektronik-Entzug? Während am ersten Tag noch nervös die Finger zucken, um das normalerweise an Mann und Frau stets griffbereite Smartphone nach ankommenden Nachrichten zu überprüfen, sind die Symptome am darauffolgenden Tag schon so gut wie weg. Andere elementare Themen sind mittlerweile wichtiger: Was gibt es zu essen, wer wird das Essen zubereiten, brauchen wir für unsere Kühlkiste noch gefrorene Wärmflaschen oder Kerzen vom Hofladen und sollten wir ggf. selbst gebackenes Brot für den nächsten Tag bei der Bäuerin bestellen? Die Kinder sind hier, da und überall. Wenn sie nicht im Stall sind, beim Füttern und Melken zuschauen (oder sogar mithelfen dürfen), genießen sie ihre Zeit auf dem Spielplatz, teilen sich mit Bauer Franks Kindern Bobbycar & Co., um über den Hof zu düsen oder schmusen und spielen mit den Katzen.

Ruhe kehrt ein, nicht gerade auf der Nestschaukel, die von unseren beiden Kindern auf Herz und Nieren geprüft wird, sondern in einem selbst. Der Kopf wird klarer, die Gedanken freier und die Nervenstränge wieder dicker. Fünf Tage Auszeit haben erstaunlich viel Erholung gebracht. Langeweile kam nie auf, es wurde gemeinsam gelacht, gespielt, gekocht und angenehm geschwiegen. Als dann tatsächlich die Zeit der Abreise kommt und wir uns Richtung Heimat aufmachen, habe ich einen traurigen Zehnjährigen und eine heulende Vierjährige im Auto. Und nur die Aussicht, dass wir bestimmt mal wieder „Urlaub ohne Strom“ und dann natürlich am Hof Keppel machen, tröstet die beiden ein wenig. Sagt das nicht alles aus?

Zuletzt noch eine kleine Bemerkung zu dem hervorragenden Frühstückskorb, den uns Bauer Frank oder seine Frau Hanna morgens vorbeibrachten. Mit warmen Brötchen, frisch gekochten Eiern, unserer zweiten Kanne Kaffee, selbst gemachter Marmelade und vielen weiteren Köstlichkeiten kann man bestens in einen ausgeruhten Tag starten. Ein kleiner Luxus, den wir uns zusätzlich gerne gönnten...

Wer das Glamping gerne mal ausprobieren möchte, kann sich auf der WiesenBett-Website viele Informationen über diese Art der Unterbringung sowie die gastgebenden Bauernhöfe einholen. Buchungen können selbstverständlich auch gleich dort oder unter der Telefonnummer 0221 / 8282 9039 getätigt werden.

Quellen und Bildrechte:

  • 1. Peter Böni / www.pixelio.de
  • 2.-6. Christiane Köhler / Familien-Welt