Der erste Schultag ist eigentlich ein sehr schöner Tag. Vermutlich schon seit Tagen oder sogar Wochen dreht sich alles zuhause um den bevorstehenden Einschulungstag. Und nun ist er endlich da. Hübsch angezogen und mit einer häufig viel zu großen Schultüte ausgestattet stehen die kleinen Jungen und Mädchen beisammen. Wenn sie sich nicht gerade aus dem Kindergarten oder der Nachbarschaft kennen, sind sie sich noch völlig fremd. Angespannt beobachten sie sich, lauschen irgendwelchen Darbietungen von Schülern höherer Klassen und harren der Dinge, die da noch auf sie zukommen werden. Haben sie erst einmal den Vormittag geschafft, heißt es Durchatmen und sich feiern lassen. Der frischgebackene Erstklässler lässt sich von der Familie beschenken und mit gut gemeinten Vorhersagungen („Jetzt fängt der Ernst des Lebens an“) einschüchtern. Alles paletti, oder? Und am nächsten Tag nimmt alles seinen normalen Gang, oder?
Nicht immer läuft es nach einer Einschulung rund. Für manches Kind ist dieser Schritt nicht leicht zu nehmen. Trennungsängste oder Eifersüchteleien gegenüber jüngeren Geschwistern, das ungewohnte Stillsitzen, die ungewisse Zukunft, Schwierigkeiten, Freunde zu finden und noch vieles mehr kann ein sechsjähriges Kind so extrem unter Druck setzen, dass es sich eben mal nicht so normal verhält wie sonst. Ja, sogar ganz extrem anders, als die Eltern es vielleicht von zuhause gewohnt sind. Manche Kinder spielen in der Schule den Klassenclown, sind aggressiv oder äußerst still, fast in sich gekehrt. Andere Kinder benehmen sich in der Schule wiederum vorbildlich und sind dafür zuhause auf einmal unausstehlich. Sie fangen gar an zu schlagen oder zu treten, brüllen, sind leicht gereizt und wollen sich von den Eltern gar nichts mehr sagen lassen. Die Eltern verstehen die Welt nicht mehr…
Wenn Sie so etwas mit Ihrem Kind gerade oder in den nächsten Wochen erleben, wissen Sie nun schon mal, dass Sie nicht alleine sind. Es gibt unzählige Kinder, die Schwierigkeiten haben, sich an die Schule zu gewöhnen. Das ist vielleicht jetzt nur ein schwacher Trost, wichtig ist jedoch zu wissen, dass man die Situation auch in den Griff bekommen bzw. dem Kind helfen kann, damit sich sein Verhalten wieder ändert und es doch noch irgendwann ankommt. Das ist natürlich mit Anstrengungen verbunden, auf die man gerne verzichtet hätte, aber da muss man nun einmal durch. Trennen Sie sich von der Einstellung, dass das Kind, wenn es Probleme in der Schule hat, diese von den Lehrkräften und der Schule gelöst werden müssen. Aus dieser Verantwortung können Sie sich als Eltern nicht ziehen! Außerdem ist Ihrem Kind damit nicht geholfen. Nur gemeinsam bekommt man evtl. Probleme des Kindes in den Griff…
Die Eingewöhnungsphase dauert etwas
Zunächst sollten Sie sich und vor allem Ihrem Kind ein wenig Zeit gönnen, denn keiner kann erwarten, dass Ihr Kind sich von heute auf morgen in der Schule eingewöhnt. Es ist nicht möglich, dass es alle Regeln und Anforderungen sofort begreift und auch beherrscht. Auch die Lehrer erwarten dies nicht. Das erste halbe Jahr wird daher vom Schulischen aus betrachtet eher entspannt sein. Unter den 20 bis 30 Kindern in einer Klasse gibt es die unterschiedlichsten Persönlichkeiten in mehreren Entwicklungsstufen. Immerhin sind manche vielleicht gerade erst sieben Jahre alt geworden, während andere schon fast acht Jahre sind. Manche Kinder fiebern geradezu danach, Rechnen und Lesen zu erlernen, andere können noch gar nichts damit anfangen. Eine Klassengemeinschaft entsteht erst noch langsam, Sorgen und Ängste werden normalerweise – ähnlich wie im Morgenkreis beim Kindergarten – in Stuhlkreisen angesprochen. Dass sich da nicht alle Kinder öffnen können, ist auch normal. Lehrer und Kinder müssen sich zudem erst einmal beschnuppern und besser kennenlernen. Versuchen Sie Ihre Sorgen und Ängste nicht auf Ihr Kind zu projizieren, dadurch nimmt seine Unsicherheit noch weiter zu. Behalten Sie Ihr Kind im Auge. Verhält es sich zuhause anders als sonst? Was sagen die Lehrkräfte? Wie beurteilen Sie Ihr Kind? Erkennen Sie es dabei wieder? Kurz nach dem Schulstart findet in der Regel bereits ein erster Elternabend statt. Dort wird man zwar nicht über einzelne Kinder reden, aber die Eltern bekommen erste Informationen darüber, wie alles angelaufen ist. Ein persönliches Gespräch mit der Klassenlehrerin ist natürlich auch möglich. Diese wird außerdem bestimmt auf Sie zukommen, falls Probleme auftauchen. Diese könnten z.B. sein…
Chemie zwischen Kind und Lehrer/n stimmt nicht
Die Beziehung zwischen Kind und den Pädagogen sollte – gerade in der Grundschule – stimmen. Natürlich müssen sich beide (oder mehrere) erst aneinander gewöhnen. Auch das braucht etwas Zeit. Wenn jedoch festgestellt wird, dass dies nicht so richtig klappt, hilft es ggf. schon herauszubekommen, was das Kind an dem Erwachsenen nicht so mag. Ein Gespräch und eine Einbeziehung des Lehrers ist dabei vonnöten. Gemeinsam kann man überlegen, wie man die Situation verbessern kann. Der Lehrkraft sollte man genug Erfahrung zutrauen, auch sie möchte schließlich eine harmonische Klasse und sich mit allen Kindern gut verstehen. Die Eltern sollten tunlichst vermeiden, die Autorität des Lehrkörpers zu untergraben. Das ist nicht hilfreich! Wenn sich das Kind jedoch nach einer gewissen Zeit immer schlechter fühlt und – wegen dem Lehrer – nicht mehr zur Schule gehen möchte, muss gehandelt werden. In einem Gespräch zusammen mit dem Klassenlehrer und der Schulleitung könnte über die Möglichkeit eines Klassenwechsels gesprochen werden.
Freunde zu finden, ist nicht immer einfach
Normalerweise hat die Klassenlehrerin einen Blick auf ihre Schüler und setzt die Kinder in den ersten Monaten hin und wieder um, wenn sie sie besser kennengelernt hat. So kann sie zwei Kinder zusammensetzen, wo sie meint, dass die sich ganz gut verstehen würden. Sie als Eltern werden andere Eltern kennenlernen, wenn Sie Ihr Kind zur Schule bringen oder abholen. Suchen Sie ruhig das Gespräch. Um Ihrem Kind eine Kontaktaufnahme mit anderen Kindern zu erleichtern, könnten Sie nachmittags auch mal Kinder aus der Klasse einladen, die Ihr Kind nett findet. Natürlich immer eins nach dem anderen. Auch gemeinsame Schulwege können organisiert werden. Diese Ideen sollten ohne Zwang umgesetzt werden, den Rest muss Ihr Kind alleine schaffen. Freundschaften kann man schließlich nicht erzwingen.
Stillsitzen muss erst erlernt werden
Für die kleinen Erstklässler ist das Stillsitzen in der Schule die wahrscheinlich größte Herausforderung. Keine Sorge, erst zum Ende des ersten Schuljahres sollten sie dies beherrschen. Die Lehrkräfte sind kleine Zappelphilippe im ersten Schuljahr gewohnt und haben so ihre eigenen sanften Methoden, dem entgegenzuwirken. Es ist hilfreich, wenn Ihr Kind zuhause bei bestimmten Tätigkeiten, z.B. den Hausaufgaben, eine gute Körperhaltung einnimmt. Doch sollte man es nicht an den Tisch fesseln, sondern das Stillsitzen langsam steigern. Vielleicht finden Sie an einigen Nachmittagen zudem ein Hobby, wo Ihr Kind sich so richtig austoben kann und die überschüssige Energie wieder loswird. Das ist ein guter Ausgleich. Achten Sie aber darauf, dass es nicht jeden Nachmittag etwas um die Ohren hat oder abends kein Ende findet, so dass es am nächsten Morgen völlig übermüdet in der Schule sitzt.
Zu schüchtern für die Schule?
Es gab, es gibt und es wird sie immer geben: die Schüchternen. Sie besitzen nur wenig Selbstvertrauen und benötigen viel, viel Lob und natürlich Geduld. Ermahnungen und enttäuscht zu sein bringt nichts, sondern verschlimmert das Ganze häufig nur. Bleiben Sie gelassen, geben Sie Ihrem Kind Sicherheit, Unterstützung und Rückendeckung. Und vor allem akzeptieren Sie bitte die Schüchternheit Ihres Kindes als Teil seiner Persönlichkeit. Aus einem ängstlichen Kind wird wohl nie eine Pippi Langstrumpf werden. Dennoch hat es gute Chancen, seinen Platz in der Klasse und auch Freunde zu finden. Es braucht vielleicht nur etwas mehr Zeit…
Und wenn mein Kind sich völlig danebenbenimmt?
Manche Kinder sind einfach überfordert. Sie gehen schnell an die Decke, reagieren manchmal aggressiv und fangen sogar an zu schlagen. Ob nun ein Mitschüler dies erkennt und Ihr Kind dann gerne provoziert, ist zwar nicht nett, aber nebensächlich. Es bringt nichts, sich auf die Suche nach einem Schuldigen zu machen. Wichtig ist, wie Ihr Kind lernt, mit möglichen Provokationen besser klarzukommen, ohne zu schlagen oder zu treten. Einige Eltern können es manchmal gar nicht glauben, dass ausgerechnet ihre Tochter andere Kinder schlägt. Zuhause sei sie doch ganz anders. Nun, zuhause ist zuhause und Schule ist Schule. Und die Situation dort ist nun einmal neu für das Kind. Wie also das Problem lösen? Natürlich sollten zunächst wieder Gespräche geführt werden – und zwar sowohl mit dem Kind als auch mit dem Klassenlehrer. Recht erfolgreich ist immer wieder das Einführen eines Belohnungssystems. Ein Smiley gibt es, wenn sich das Kind gut verhalten hat. Bei einer gewissen Anzahl von Smileys erhält dann das Kind z.B. eine Zeitschrift. Dieses System funktioniert auch ganz gut zuhause. Probieren Sie es einfach mal aus…
Wenn alle Stricke reißen, ab zum Schulpsychologen
In Deutschland findet man in jedem Bundesland den Schulpsychologischen Dienst. Dieser unterstützt bei Lern-, Entwicklungs- und Verhaltensproblemen von Schülerinnen und Schüler, insbesondere bei der Förderung individueller Begabungen, der Beratung und Förderdiagnostik im Rahmen der inklusiven Schule und der Entwicklung von Förderplänen und Fördermaßnahmen. Er unterstützt ebenfalls bei der Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen zum sozialen Miteinander in Schulklassen oder bei der Intervention, Moderation und Meditation bei Konflikten. Die Beratung ist kostenfrei, freiwillig und vertraulich. Wo die Beratungsstellen sitzen und wer für einen zuständig ist, erfahren Sie auf der Website schulpsychologie.de.
Quellen und Bildrechte:
- 1. Dieter Schütz / www.pixelio.de
- 2. S. Hofschläger / www.pixelio.de