Eine Schule für alle? Also eine Schule, wo Kinder mit Hauptschul-, Realschul- und auch Gymnasial-Empfehlung gemeinsam in eine Klasse kommen? Wo sie gemeinsam den Schulstoff pauken? Und wo alle Abschlüsse möglich sind? Zunächst kann man irgendwie nicht glauben, dass das klappen kann, doch die Form der Gemeinschaftsschule schwimmt auf einer Erfolgswelle. Immer mehr Haupt-/Real-Schulen stellen Anträge auf eine Oberstufe, um sich zu einer Gemeinschaftsschule ummodellieren zu können. Wir haben die Schulform einmal näher unter die Lupe genommen und möchten Antworten auf viele Fragen finden. Es ist jedoch zu beachten, dass es von Bundesland zu Bundesland Abweichungen geben kann, daher müssen wir das Thema etwas grob behandeln. Wer detailliertere Informationen für die Gemeinschaftsschulen in seinem Bundesland benötigt, erhält diese natürlich vor Ort…
Wie funktioniert das Lernen in der Gemeinschaftsschule?
In der Gemeinschaftsschule wird nach den Bildungsstandards der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums unterrichtet. Doch es ist nicht so, dass innerhalb der Klasse nun auf einmal in drei Lagern gelernt wird – alle miteinander ist die Devise. Denn in der Regel sind viele Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Fächern unterschiedlich leistungsstark. Und daher haben sie – außer in den Abschlussklassen und ggf. in der Oberstufe - die Möglichkeit, in den einzelnen Fächern auf unterschiedlichem Niveau zu lernen. Eine große Unterstützung bieten da Kompetenzraster, die den Lernfortschritt dokumentieren, sodass alle Beteiligten diesen richtig einschätzen können. Sie ermöglichen es zudem, den eigenen Lernprozess zu planen, sich Ziele zu setzen und das Lerntempo selbst zu finden: "Was kann ich?", "Wie gut kann ich es?" und „Wo benötige ich noch Unterstützung?“. Die Kompetenzraster dienen auch als Grundlage für Gespräche zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern sowie für Beratungsgespräche mit den Eltern. Eine weitere Bewertung der Leistung wird durch Lernentwicklungsberichte ermöglicht, die zunächst anstelle von Zeugnissen und Noten verfasst werden. Spätestens am Ende der Jahrgangsstufe 8 werden i.d.R. Ziffernzeugnisse vergeben.
Da das Schubladendenken hier scheinbar keine Rolle spielt, wird bei den Schülerinnen und Schüler auf die Stärken und Schwächen geschaut und wie sie gefördert, aber auch gefordert werden können. Stete Impulse sollen ein anregendes Lernen ermöglichen – eigenständig, aber auch miteinander. Daneben werden aber auch traditionelle Unterrichtsmethoden angewandt. Die Schülerinnen und Schüler lernen in Begleitung und unter Anleitung von Lehrerinnen und Lehrern. Es wird versucht, gerade in den Hauptfächern eine Doppelbesetzung zu ermöglichen, sodass auch mal in zwei Gruppen gearbeitet werden kann, falls besondere Förderung vonnöten ist. Den unterschiedlichen Leistungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler kann sowohl durch Unterricht in binnendifferenzierender Form (Kinder und Jugendliche werden weitestgehend gemeinsam in einer Lerngruppe unterrichtet), nach Leistungsfähigkeit und Neigung der Schüler in differenzierten Lerngruppen sowie in abschlussbezogenen Klassenverbänden entsprochen werden. Über die geeigneten Formen des Unterrichtes entscheidet die jeweilige Schule.
Wenn die Sekundärstufe I beendet ist, schrumpfen die Klassen, da manche Schülerinnen und Schüler mit dem Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (Hauptschule) bzw. dem Mittleren Schulabschluss (Mittlere Reife/Realschule) die Schule verlassen. Nun beginnt die gymnasiale Oberstufe, die Sekundärstufe II.
Neigungsfächer, Wahlfächer & Hochbegabtenförderung
Schon zu Beginn ist es i.d.R. möglich, in einer Gemeinschaftsschule sogenannte freiwillige Neigungsfächer zu wählen. Hier bietet sich die Chance, erste Interessen auszuloten. Welche Neigungsfächer das sind, variiert von Schule zu Schule. Vermutlich sind es jedoch Sparten wie z.B. Musik, Naturwissenschaften, Technik, Kunst oder Sport. Später in der Oberstufe kommen dann Profile oder Zweige hinzu, die gewählt werden müssen. Das können Naturwissenschaften, Sport oder Sprachen sein. Gerade in der Gemeinschaftsschule werden die Kinder auch früh auf den beruflichen Einstieg vorbereitet. So gibt es nicht selten Kurse, wo Bewerbungen im Vordergrund stehen, Berufspraktika werden regelmäßig vorgenommen oder Workshops bei Arbeitgebern im Umkreis angeboten. Wer denkt, dass nur Kinder, die geistig nicht so auf der Höhe sind, eine Gemeinschaftsschule besuchen, täuscht sich gewaltig. Nicht wenige Schulen haben inzwischen Hochbegabten-Programme aufgenommen, um geistige Überflieger besser unterstützen zu können.
Welche Schulabschlüsse sind an der Gemeinschaftsschule möglich?
An den Gemeinschaftsschulen können drei Bildungsabschlüsse erworben werden: der Erste allgemeinbildende Schulabschluss nach neun Jahren, der Mittlere Schulabschluss nach zehn Jahren und die Allgemeine Hochschulreife nach 13 Jahren (G9). Es ist aber durchaus auch möglich, von einer Gemeinschaftsschule in die Oberstufe eines allgemein bildenden Gymnasiums oder an ein berufliches Gymnasium zu wechseln.
Vorurteile schwinden, der Ruf wird immer besser
Das Ziel der Gemeinschaftsschule ist es, ihre Schülerinnen und Schüler möglichst lange zu begleiten. Es zeigt sich inzwischen, dass auch Kinder, die nicht mit Gymnasial-Empfehlung auf die Gemeinschaftsschule gekommen sind, durchaus das Abitur schaffen können. Die gute Quote überrascht. Das Argument der Gemeinschaftsschulen, dass Jugendliche noch einmal einen Entwicklungssprung in der 8. oder 9. Klasse machen, scheint sich hier zu bestätigen. Eine Chance für viele, die früher in Haupt- und Realschule einfach festsaßen. Wer die Oberstufe der Gemeinschaftsschule besucht, wird sich auf das Zentralabitur vorbereiten müssen – genauso wie die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums. Das Argument, das erfolgreiche Abi von Schülerinnen und Schüler von der Gemeinschaftsschule wäre weniger wert, ist somit völliger Quatsch und dürfte sich nur noch in den Köpfen vereinzelter Arbeitgeber und Eltern wiederfinden.
Gemeinschaftsschule oder Gymnasium?
Ob Ihr Kind ein/e Kandidat/in für ein Gymnasium oder für eine Gemeinschaftsschule ist, müssen natürlich letztendlich Sie zusammen mit Ihrem Kind entscheiden. Der Leistungsdruck – gerade am Anfang – ist sicherlich auf einem Gymnasium höher. Neben der Schulform sind ja auch vielleicht noch andere Faktoren entscheidend: Wo gehen die Freunde hin? Gibt es überhaupt eine gute Gemeinschaftsschule im Ort? Und, und, und… Letztendlich steht und fällt alles eh mit den Fachkräften vor Ort. Der vermutlich beste Rat, den wir geben können: Überlegen Sie sich, was das Beste für Ihr Kind ist und nicht, was Sie sich am liebsten wünschen!
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