Die einen nennen es Legasthenie, die anderen Lese- und Rechtschreibstörung oder Lese- und Rechtschreibschwäche und manche Bundesländer verwenden am liebsten den Begriff "Besondere Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens". Dabei kann es durchaus ein Unterschied sein, wenn eine Störung oder lediglich eine Schwäche vorliegt. Genauso wie es Kinder gibt, die nur spezifische Probleme im Lesen haben, und andere Kinder, die nur spezifische Probleme in der Rechtschreibung aufweisen. Am häufigsten treten jedoch Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten gemeinsam auf. Dass es bislang noch nicht möglich war, einen einheitlichen Namen zu finden, lässt erahnen, wie schwierig dieses Thema zu behandeln ist. Fakt ist, dass man erst dann offiziell von einer Legasthenie spricht, wenn die Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten nicht nur vorübergehend, sondern über einen längeren Zeitraum (z.B. mindestens drei bis sechs Monate) vorhanden sind...
Diese Schwächen können beim Lesen beobachtet werden:
• Auslassen, Ersetzen oder Hinzufügen von Worten oder Wortteilen
• Langsames Lesen
• Startschwierigkeiten beim Vorlesen, langes Zögern oder Verlieren der Zeile im Text
• Vertauschung von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in den Wörtern
• Ersetzen von Wörtern durch ein in der Bedeutung ähnliches Wort
• Unfähigkeit, Gelesenes zu wiederholen
• Unfähigkeit, aus dem Gelesenen Zusammenhänge zu erkennen und Schlussfolgerungen zu ziehen
Diese Schwächen können beim Rechtschreiben beobachtet werden:
• Schwierigkeiten beim Schreiben von Buchstaben, Wörtern und Sätzen
• Hohe Fehlerzahl bei ungeübten Diktaten
• Hohe Fehlerzahl beim Abschreiben von Texten
• Grammatik- und Interpunktionsfehler
• Häufig unleserliche HandschriftUm von einer Legasthenie sprechen zu können, müssen nicht alle Schwächen vorliegen, es reicht durchaus, wenn lediglich eine auffällig ist, z.B. beim Lesen, besonders bei Kindern ab der 4. Klasse, steht die deutlich verlangsamte Lesegeschwindigkeit im Vordergrund der Problematik. Wird eine ausgeprägte Lesestörung erkannt, kann diese zu einem kompletten Schulversagen führen, da für den Wissenserwerb auch in allen anderen Schulleistungsbereichen das Lesen eine fundamentale Voraussetzung darstellt. Im Vordergrund der Rechtschreibstörung steht dagegen die Vielzahl von Rechtschreibfehlern. Häufig fällt z.B. auf, dass ein und dasselbe Wort in einem Text mehrfach unterschiedlich falsch geschrieben wird. Die so genannten typischen Legastheniefehler lassen sich häufig nicht finden. Nicht selten treten die Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten auch in den Fremdsprachen auf und beeinflussen somit zusätzlich die schulische Entwicklung. Zudem ist das Verständnis der Aufgabenstellung bei Textaufgaben durch die geringe Lesefähigkeit meist beeinträchtigt. Daher entwickeln Kinder mit einer Legasthenie auch Rechenschwierigkeiten. Diese sind aber nicht durch eine Rechenschwäche (Dyskalkulie) begründet, sondern durch die Legasthenie.
Bei der Feststellung der Legasthenie sollten einige Kriterien beachtet werden, da sie das Lesen und Schreiben ebenfalls beeinträchtigen können. Diese sind z.B.:
• Kein regelmäßiger Schulbesuch, um eine ausreichende Unterrichtung im Schriftspracherwerb erhalten zu haben
• Keine ausreichende Intelligenz, um Lesen und Rechtschreiben zu erlernen
• Eine neurologische Erkrankung, die das Hör- oder Sehvermögen dauerhaft einschränkt
Fachliche Hilfe ist wichtig
Wenden Sie sich an eine(n) diplomierte(n) Legasthenie-TrainerIn, die/der speziell dafür geschult ist, mit legasthenen Kindern auf pädagogisch-didaktischer Ebene zu arbeiten. Sie/Er wird nach einem ausführlichen Gespräch und einem pädagogischen Test einen speziell auf die Schwierigkeiten Ihres Kindes abgestimmten Trainingsplan erstellen. Sie werden auch Anleitungen bekommen, wie Sie mit Ihrem Kind zu Hause arbeiten sollen und welche Fördermaterialien dafür geeignet sind. Es genügt nicht, nur an den Symptomen (Fehlern) zu üben, sondern Ihr Kind benötigt zusätzlich auch ein Training in den Bereichen "Aufmerksamkeit" und "Sinneswahrnehmungen". Sollten zusätzliche physische oder psychische Auffälligkeiten vorhanden sein, wird man weitere Spezialisten miteinbeziehen. Jede Legasthenie ist individuell verschieden. Ihr Kind benötigt daher auch eine individuelle Förderung.Benotung in der Schule
Wenn bei einem Kind eine Legasthenie erkannt worden ist, muss die Schule sich darauf einstellen. Leider gibt es von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Rahmenrichtlinien in Form von Erlassen und Verwaltungsvorschriften für SchülerInnen mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Auch in der Umsetzung dieser Erlasse an den Schulen gibt es wiederum erhebliche Bandbreiten bezüglich Diagnose und Förderung. Die Website vom BVL gibt detaillierte Informationen zu diesem Thema. Unabhängig von der Förderung sollten die betroffenen Kinder einen Nachteilsausgleich erhalten, der folgende Punkte umfasst:
• Notenschutz (keine Benotung der Lese-/Rechtschreibleistung)
• Zeitzugaben bei Arbeiten und Prüfungen
• Leistung mündlich abprüfen
• Einsatz von Hilfsmitteln wie z.B. Computern mit Fehlerkorrektur
Der Nachteilsausgleich sollte sich über alle Schulfächer, die Lesen und Schreiben erfordern, erstrecken und bis zum Schul- bzw. Ausbildungsabschluss gelten.
Viele weitere Informationen zum Thema Legasthenie, Material zum Herunterladen und rechtliche Möglichkeiten finden Sie ebenfalls auf der Website des BVL!
Quelle: Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. (BVL)
Zum Thema Rechenschwäche (Dyskalkulie) haben wir diesen Artikel für Sie:
2 x 3 macht 4, oder?
Fotos: 1. S. Hofschläger, 2. Jens Weber, 3. Thommy Weiss - alle pixelio.de