Turnen für Kinder - Was gibt es da eigentlich?

Etwa 9,5 Prozent der Kinder zwischen drei und 17 Jahren in Deutschland sind übergewichtig, knapp sechs Prozent sogar adipös - mit steigender Tendenz. Für den in jungen Lebensjahren wichtigen Aufbau von Muskeln und Knochen ist regelmäßige Bewegung unerlässlich. Eine gute Möglichkeit sind zum Beispiel Turnen, Gymnastik, Yoga oder Pilates.

"Kinder sitzen heute täglich etwa 1,5 Stunden vor dem Fernseher - die Nutzung von Spielekonsolen und PC nicht mit eingerechnet", berichtet Professor Dr. med. Bernd Kladny, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). "Motorische Defizite nehmen hierdurch erheblich zu. Die Folge: Etwa ein Viertel aller Kindergartenkinder können weder einen Purzelbaum schlagen noch auf einem Bein hüpfen", so der Chefarzt der Fachklinik Herzogenaurach, Abteilung Orthopädie und Traumatologie. Er führt aus, dass bei der Einschulung bis zu 75 Prozent aller Kinder grobmotorische Auffälligkeiten aufweisen. Eine Krankenkassen-Studie ergab, dass bereits bei den 6- bis 10-Jährigen motorische Entwicklungsstörungen zwischen 2006 und 2016 um 63 Prozent zugenommen haben.

"Darüber hinaus zeigen Studien, dass etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland bereits unter Bluthochdruck leiden", ergänzt Privatdozent Dr. med. Martin Engelhardt, Vorsitzender der Sektion orthopädische Sporttraumatologie der DGOOC. "Diese Situation ist alarmierend und hat für Betroffene und Gesellschaft fatale Folgen. Allein schlechte Ernährung und Bewegungsmangel kosten das Gesundheitssystem jährlich über 70 Milliarden Euro."


Die Folgen von Übergewicht im Kindesalter

Bewegen sich Kinder zu wenig, kann die Knochensubstanz nicht ausreichend aufgebaut werden. "Von dieser zehren wir ab dem 20. bis 25. Lebensjahr ein Leben lang", erklärt Kladny. "Wachsende Knochen und Knorpel sind auf stimulierende Belastungsimpulse dringend angewiesen. Unterforderung, Fehlbelastung und Überlastung wirken sich schädlich aus".

Darüber hinaus muss die Muskulatur stets gefordert werden. Sie stabilisiert das Bewegungssystem und schützt vor Verletzungen und Gelenkverschleiß. Bereits regelmäßiges Training im Kindesalter baut dieses komplexe Zusammenspiel zwischen Nerven- und Bewegungssystem auf. Ein zu hohes Körpergewicht schadet dem Skelett und fördert Fehlwachstum und Haltungsschäden. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt im Alter 5 bis 17 Jahren pro Tag eine Stunde körperlich anstrengende Bewegung. "Zudem sind auch soziale Komponenten von Mannschaftssportarten wichtig: Selbstkontrolle, Auffassungsgabe und soziale Fähigkeiten können durch den Sport wesentlich verbessert werden", ergänzt Professor Dr. med. Wolfram Mittelmeier, Kongresspräsident DKOU 2012.

Corona-Pandemie hat die Situation noch verschlimmert

Bei Kindern gab es während der coronabedingten Lockdowns ohne Schule, Gemeinschaftssport und Treffen mit Gleichaltrigen einen deutlichen Anstieg an Depressionen und auch an Adipositas, was unter anderem zu einer deutlichen Zunahme der Neumanifestationen von Typ-2-Diabete bei Jugendlichen führte.*


Es müssen nicht immer Tennis, Fußball oder Tanzen sein...

Dass sich ein Kind freiwillig und gern bewegt, ist die halbe Miete. Doch nicht immer ist es leicht, den richtigen Sport für sein Kind zu finden. Um körperlich fit zu werden, die Grobmotorik zu trainieren oder einfach nur in Bewegung zu bleiben, können sich Kinder mittlerweile an Sportarten versuchen, die sonst eher für Erwachsene reserviert waren. Denn wer hat schon davon gehört, dass Kinder Yoga oder Pilates praktizieren? Doch natürlich kann ein Kind auch ganz klassisch zum Turnen oder zur Gymnastik gehen...

Turnen/Gymnastik: Bereits Kleinkinder genießen erste Turnerfahrungen - entweder beim Mutter/Vater-Kind-Turnen oder auch alleine beim Kleinkindturnen. Die ersten Bewegungserfahrungen in der Gruppe zu sammeln, fördert die Koordinations- und Konzentrationsfähigkeit, aber auch die Kraft wird aufgebaut. Mit zunehmenden Alter wird das Turnen - oder präziser das Geräteturnen - leider immer unbeliebter. Dank der diesjährigen olympischen Erfolge unserer jungen deutschen Turner in London könnte sich das Blatt jedoch auch wieder wenden. Es wäre zu wünschen...

Pilates: Nicht nur Erwachsene profitieren von Pilatesübungen, auch für Kinder sind die Bewegungs- und Kräftigungsübungen gut geeignet, verbessern sie doch Beweglichkeit, Koordination, Konzentration und Haltung. Sinnvoll und auch häufig zu angeboten, ist es, wenn die Kurse mit unterschiedlichen Altersklassen aufgebaut sind. Die Studios gestalten diese Kurse häufig spielerisch.

Yoga: Schon Babys und Kleinkinder können zu bestimmen Yoga-Übungen herangeführt werden (siehe Buchtipp). Für die geistige und motorische Entwicklung der Kinder ist dies mit Sicherheit eine gute Förderung - auch wenn die Übungen natürlich passiv vom Kind ausgeübt werden. Ganz anders schaut es dagegen bei z.B. Kindergartenkindern (ab ca. drei Jahren), die bereits eigenständig erste Yoga-Übungen praktizieren können.

Buchtipp: "Yoga für Mütter und Babys"
Yoga tut allen gut. Was kann es daher Besseres geben als gemeinsame, einfache Yogaübungen von Eltern und Kind? Dieses Buch von Francoise Barbira Freedman bietet dafür einen Leitfaden vom Beginn des Lebens und zeigt mit vielen Bildern und fachkundigen Schritt-für-Schritt-Anleitungen einfache Dehnungen, Haltungen und Massagetechniken, die auf den Grundgedanken des Yoga basieren. Postnatale Dehnungen für Erwachsene, Yogareihen mit Kindern von 0-3 Jahren, Techniken für Atmung und Entspannung, von sanfter Massage zu gezielten Dehnungen und Haltungen, vertiefen und stärken die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Bei Babys und Kleinkindern steigern sie das Sicherheits- und Wohlbefinden und erhöhen die Beweglichkeit und Gelenkigkeit der Mutter. Geeignet sind die Übungen natürlich auch für Väter, Großmütter und Großväter. Vorherige Erfahrungen oder eine teure Ausrüstung sind nicht erforderlich: eine Matte und bequeme Kleidung- und schon kann's losgehen! Für Yoga-Geübte bietet das Buch zusätzlich Vorschläge für mögliche Adaptionen der klassischen Yogahaltungen, in die auch schon das Baby miteinbezogen werden kann. Erschienen in der NaturaViva Verlags GmbH (Walter Hädecke Verlag) zum Preis von 18 Euro (144 Seiten, Klappenbroschur, ISBN: 978-3-935407-31-1).

Quellen und Bildrechte:

  • Quelle u.a.: www.dkou.de, * Deutsche Adipositas Gesellschaft
  • Fotos: 1. Pixabay, 2. Torsten Schröder www.pixelio.de
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